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DENKBILD V

RELIGION?

  In het voormalige huis van  Baháú'lláh  
 

Im späten Landsitz van Bahá'u'lláh in Bahji bei Akko

 

Zur Orientierung des Inneren

Der Anfang aller Dinge ist die Erkenntnis Gottes, und das Ziel aller Dinge ist die genaue Beachtung dessen, was herab gesandt ist vom Lichthimmel des göttlichen Willens, der alles durchdringt, was in den Himmeln, und alles, was auf Erden ist.

[Baha'u'llah, Ährenlese, 9]

Die Natur hat den Menschen mit Orientierungssinn und Gleichgewichtsorgan ausgestattet - hoch komplizierten Instrumenten. Dadurch fällt er nicht ständig um und kann er seine Bewegungen richten - tagsüber nach der Sonne und nachts nach den Sternen, sofern er keine Hilfsmittel benutzt. Auch das Leben ist eine Wegstrecke von A nach B. Körperlich gibt es nur die eine Richtung durch die Zeit – hin zum Tod. Sprachkundlich kommen “Sinn”, “Richtung” und “Sein” aus demselben altdeutschen Wort sinnan, das eine indoeuropäische Wurzel hat: sent - „eine Richtung nehmen“. Und das ist auch der Bezugspunkt der Religiosität. Das lateinische Wort religio deutet auf Rückbindung an einen göttlichen Ursprung.

Religiosität hat die Menschheit zu ihren höchsten Leistungen bewogen. Wir verdanken dem Glauben an Gott beinahe alle klassischen Philosophien, Baudenkmäler und Kunstwerke. Von allen kulturellen Erbstücken der Menschheit haben die meisten eine Bindung an das Religiöse. Alle zeitlosen Denker, Gelehrte, Dichter, Maler, Bildhauer und Komponisten waren religiöse Menschen. Und alle großen Zivilisationen hatten einen transzendenten Mittelpunkt. Wo das Heilige verloren ging, verwelkten die Kulturen. „Ein griechischer Philosoph, der in der Jugendfrühe der Christenheit lebte und von der christlichen Art erfüllt war, ohne doch selber Christ zu sein, schrieb: `Ich glaube, dass die Religion die eigentliche Grundlage der wahren Zivilisation ist.‘ Denn erst, wenn die Sittlichkeit eines Volkes genau so ausgebildet ist wie sein Verstand und seine Begabung, wird auch die Zivilisation einen sicheren Untergrund besitzen.“

[Abdu'l-Bahá, Ansprachen in Paris, 7.3]

Auch die heutige Krise der Menschheit hat nach Maßgabe der Bahá’í Lehre eben diese eine Ursache – den Thronsturz der Majestät Gottes. Für die neue Weltordnung, die sich anbahnt, bedarf es einer neuen Weltseele – einer Religiosität, die wieder aus dem Himmel kommt. - Diagnose und Therapie:

Die Lebenskraft des Glaubens der Menschen an Gott stirbt aus in allen Landen. Nur Seine heilende Arznei kann sie jemals wiederherstellen, Der Rost der Gottlosigkeit frisst sich in das Triebwerk der menschlichen Gesellschaft. Was außer dem Heiltrank Seiner machtvollen Offenbarung kann sie reinigen und neu beleben. [-] Wir wurden bevollmächtigt [-] teuflische Stärke in himmlische Kraft zu verwandeln. [-] Das Wort Gottes allein kann für sich in Anspruch nehmen, die Fähigkeit zu einer so großen, so weitreichenden Wandlung zu besitzen.

– [Bahá'u'lláh, Ährenlese, 175]

Rund dreißig Prozent der Deutschen gehören keiner Religion mehr an. Bei anderen europäischen Völkern herrschen ähnliche Bedingungen. Religion ist für siebzig Prozent der Bevölkerung Deutschlands aber immer noch bedeutsam. Fast jeder fünfte Deutsche besucht sogar regelmäßig Gottesdienste, betet häufig und beschäftigt sich intensiv mit religiösen Fragen. Zu diesem Ergebnis kommt eine umfassende internationale Studie der Bertelsmann Stiftung. Weltweit liegt der durchschnittliche Anteil der Nichtreligiösen statistisch bei 16,5 Prozent. Doch Statistiken erfassen nur bedingt die Bewegungen des Herzens, auch wenn der „Religionsmonitor“ als Instrument gilt, „das weltweit in bisher nicht dagewesener Tiefe Fragen von Religiosität und Glaube untersucht“. Insgesamt zeigt der Zustand der Welt jedenfalls, dass die Völker sich nicht durch höhere Einsichten leiten lassen, die sie angesichts des unverkennbaren Zustands der Welt eigentlich schon haben müssten.

Der Bahá’í Glaube ändert das Denken über die wirklichen Machtverhältnisse auf der Erde und lehrt, wie der Mensch mit den Tatsächlichkeiten der Weltordnung umgehen sollte. Gott appelliert an die Vernunft und den Gerechtigkeitssinn. Er ist unter allen Umständen da und rückhaltlos zu vertrauen. Atheismus will trotz einer Millionenauflage eines Buchs zum „Gotteswahn“ die weitaus meisten Menschen nicht überzeugen. Mit Recht, denn die Leugnung Gottes erfordert eine Argumentation, die in einer Behauptung endet: dass Alles aus Nichts entstanden sei.

Religionen haben vielen gebildeten Menschen durch ihre Auslegungen und Glaubenszwänge die Religiosität erschwert oder gar geraubt. Erkenntnisse der Forschung haben die Theologien weder vorhergesehen noch zu ehren Gottes eingeordnet. Erst das Weltbild Bahá'u'lláhs bildet eine geistige Umfassung des heutigen Standardmodells der Kosmologie. Glaubenslehren die auf dem Erkenntnisstand zur Zeit ihrer Entstehung fußen, sind naturwissenschaftlich oftmals unhaltbar. Religion darf mit dem Verstand nicht machen was sie will, ohne sich intellektuell zu diskriminieren.

Vermeintliche Gottgläubigkeit hat große Schande über die Menschheit gebracht. Im Namen Gottes sind Völker ausgemordet und geknechtet worden, wurden goldene Städte niedergebrannt, glänzende Bücher abgefackelt und freie Geister auf die Scheiterhaufen geschleppt oder geächtet. Erschütternde geschichtliche Erfahrung mit der Religion können sich die Religionen nicht ex cathedra selbst vergeben.

Kreuzritter, Ketzermeister und Besessene aller Religionen haben allerdings in tausend Jahren nicht annähernd so viel Leid verursacht wie die gelben, braunen und roten Ideologien mit ihren zweihundert Millionen Toten in kaum einem Jahrhundert. Jetzt ist die Welt mit einem neuen Fanatismus konfrontiert. Menschen lassen sich aus Überzeugung zu lebenden Bomben programmieren. Terror soll Wahrheit und Gerechtigkeit etablieren. Zum ersten Mal hat die religiöse Gewalttätigkeit weltweite Ausmaße, und sie erfordert eine religiöse Entgegnung von allen Seiten der Glaubenswelt.

Standpunkt der Bahá’í:

Bahá’u’lláh, der Religionsstifter der Bahá’í, betont, dass Religion „Liebe, Eintracht und Frieden unter den Menschen stiften“ und als „Werkzeug der Einheit“ wirken solle. Er rät seinen Anhängern, mit den Anhängern aller Religionen „im Geiste des Wohlwollens und der Brüderlichkeit“ zu verkehren.

Religionen haben sich in der Geschichte der Menschheit als integrierende Kraft erwiesen. Menschen unterschiedlichster Kultur und Bildung wurden unter ihrem jeweiligen Dach vereint. Andererseits zählen die Religionen zu den hartnäckigsten Friedensstörern, weil Endgültigkeits- und Exklusivitätsansprüche den Blick für ihre Gemeinsamkeiten verstellen und Feindbilder entstehen lassen. Wo sich Religionen abschotten, entsteht religiöser Fanatismus.

„Alles Erhabene“, heißt es in den heiligen Schriften der Bahá’í, „kann zu bösen Zwecken missbraucht werden.“ Jede Religion könne dem Guten wie dem Bösen dienen und pervertiert werden. „Wenn die Religion zu Streit und Hass führt, wäre es besser, es gäbe keine.“

[→ link]

Sendboten des Universalen Hauses der Gerechtigkeit der Bahá’í haben 2002 warnende Briefe bei allen führenden Vertretern der Weltreligionen bestellt. Ihr gemeinsamer Einfluss sei vonnöten um den Glaubenshass zu beschwören und die terroristische Rechthaberei . - Auszug:

Mit jedem neuen Tag wächst die Gefahr, dass die auflodernden Feuer religiöser Vorurteile einen Weltbrand entfachen, dessen Folgen sich niemand ausmalen kann. Eine solche Gefahr können die Regierungen nicht ohne Hilfe überwinden. Auch sollten wir uns nicht vormachen, dass bloße Aufrufe zu gegenseitiger Toleranz Feindseligkeiten auslöschen können, die für sich beanspruchen, Gottes Segen zu besitzen. Die Krise erfordert von den Führern der Religionen einen Bruch mit der Vergangenheit, so entschieden wie jene, die der Gesellschaft den Weg eröffnet haben, ebenso zerstörerische Vorurteile der Rasse, des Geschlechts oder der Nation zu überwinden. Wenn Beeinflussung in Gewissensangelegenheiten überhaupt gerechtfertigt werden kann, dann nur wenn sie dem Wohlergehen der Menschheit dient. An diesem größten Wendepunkt in der Geschichte der Zivilisation könnte nicht klarer sein, was solcher Dienst verlangt. “Die Wohlfahrt der Menschheit,” drängt Bahá’u’lláh, “ihr Friede und ihre Sicherheit sind unerreichbar, ehe nicht ihre Einheit fest begründet ist.”

Die Bahá’í Weltgemeinschaft setzt sich bei den Vereinten Nationen dafür ein, dass die mentalen Quellen der Religion in die Geopolitik einbezogen werden. Das gemeinsame Haus der Menschheit lasse sich nicht in einer geistigen Leere bauen. Neujahr 2004 verkündete auch der Papst die notwendige Neuordnung der Welt, mit den Vereinten Nationen als höchstem Organ der Politik. Weltfrieden ist das erklärte Ziel der Völkergemeinschaft. Die dahin zielenden Sendschreiben Bahá'u'lláhs von 1868 sind in New York angekommen. Darin hatte Er den Herrschern seiner Zeit verkündet, dass Gott den Weltfrieden wolle.

Alle Völker der Welt haben die Pflicht, ihre Gegensätze auszugleichen und in vollkommener Einigkeit und in Frieden im Schatten des Baumes Seiner Obhut und Gnade zu wohnen. Es geziemt ihnen, sich an das zu halten, was an diesem Tage der Erhöhung ihrer Stufe und der Förderung ihres eigenen Besten dient.

[Bahá'u'lláh , Ährenlese, 4.1]

Leitsätze

Glaube und Wissen

Alle gegenwärtigen Religionen sind zu abergläubischen Bräuchen herabgesunken und stimmen nicht mehr mit den wahren Grundsätzen der von ihnen vertretenen Lehre und auch nicht mit den wissenschaftlichen Entdeckungen unserer Zeit überein. Viele religiöse Führer sind zu der Auffassung gekommen, dass die Bedeutung der Religion hauptsächlich darin besteht, an einer Sammlung von bestimmten Dogmen und an der Ausübung von Riten und Zeremonien festzuhalten. Sie lehren diejenigen, deren Seelenheil sie betreuen, genau wie sie zu glauben und halten sich zäh an äußeren Formen und verwechseln sie mit innerer Wahrheit.

Diese Formen und Riten weichen in den verschiedenen Kirchen und Sekten voneinander ab und widersprechen sogar einander, wodurch sie Anlass zu Uneinigkeit, Hass und Spaltung geben. Die Folge dieser Zwietracht ist die Auffassung vieler gebildeter Menschen, dass Religion und Wissenschaft einander widersprechende Begriffe seien; dass die Religion keiner Überlegungskraft bedürfe und in keiner Weise durch die Wissenschaft gelenkt werden sollte, sondern dass beide notwendigerweise im Gegensatz zueinander stehen müssten.

Die unglückliche Folge davon ist, dass die Wissenschaft abseits von der Religion dahintreibt und die Religion nichts als ein blindes und mehr oder minder gleichgültiges Befolgen der Vorschriften gewisser Religionslehrer ist, die auf Annahme ihrer eigenen Lieblingsdogmen dringen, selbst wenn sie der Wissenschaft widersprechen. Das ist eine Torheit, denn es ist völlig klar, dass Wissenschaft Licht ist, und weil es so ist, ist Religion, die wir mit Recht so nennen, nicht in Widerspruch zum Wissen.

Stünde die Religion im Gegensatz zur Vernunft, so würde sie aufhören, Religion zu sein und wäre lediglich Überlieferung. Religion und Wissenschaft sind die beiden Flügel, auf denen sich die menschliche Geisteskraft zur Höhe erheben und mit denen die menschliche Seele Fortschritte machen kann. Mit einem Flügel allein kann man unmöglich fliegen: Wenn jemand versuchen wollte, nur mit dem Flügel der Religion zu fliegen, so würde er rasch in den Sumpf des Aberglaubens stürzen, währen er andererseits nur mit dem Flügel der Wissenschaft auch keinen Fortschritt machen, sondern in den hoffnungslosen Morast des Materialismus fallen würde.

[Abdu'l-Bahá, Ansprachen in Paris]

Die Seele der Religion

Bahá'u'lláh offenbart in der „Ährenlese“:

Das Erhabenste Wesen spricht: O ihr Menschenkinder! Der Hauptzweck, der den Glauben Gottes und Seine Religion beseelt, ist, das Wohl des Menschengeschlechts zu sichern, seine Einheit zu fördern und den Geist der Liebe und Verbundenheit unter den Menschen zu pflegen. Lasst sie nicht zur Quelle der Uneinigkeit und der Zwietracht, des Hasses und der Feindschaft werden. Dies ist der gerade Pfad, die feste, unverrückbare Grundlage. Was immer auf dieser Grundlage errichtet ist, dessen Stärke können Wandel und Wechsel der Welt nie beeinträchtigen, noch wird der Ablauf zahlloser Jahrhunderte seinen Bau untergraben.

Unsere Hoffnung ist, dass sich die religiösen Führer der Welt und ihre Herrscher vereint für die Neugestaltung dieses Zeitalters und die Wiederherstellung seiner Wohlfahrt erheben werden. Lasst sie, nachdem sie über seine Nöte nachgedacht haben, zusammen beraten und nach sorgsamer, reiflicher Überlegung einer kranken, schwer leidenden Welt das Heilmittel darreichen, dessen sie bedarf.

[Bahá'u'lláh , Ährenlese, ...]

Eine Initiative von Gunter C. Vieten und niederländischen Bahá’ís und Freunden
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