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DENKBILD III

GOTT?

Flame tree on the Terraces of the Shrine of the Báb

In den Bahá’í-Gärten auf dem Karmel

Wirkliche Unwirklichkeit

Wenn Er wollte, könnte Er ein Atom in eine Sonne verwandeln und einen einzigen Tropfen in einen Ozean. Er schließt Tausende Türen auf, wo der Mensch keine sieht.

Tablets of Baha'u'llah, p. 176

Ich erkenne Dich, indem Du mich erkennen lässt, dass Du unerkennbar bist für alle außer Dir.

Der Báb, Verse Gottes

Das Universums ist ebenso wenig von selbst entstanden wie die „Schöpfung“ von Haydn. Den Schöpfer des Schöpfers der „Schöpfung“ und aller anderen Geschöpfe und kosmischen Gefüge nennen die Menschen Gott oder sie nennen Ihn bei einem anderen von tausend Namen. Die Schöpfung ist eine Emanation des Schöpfers so wie ein Meisterwerk den Meister voraussetzt, ein Kunstwerk den Künstler; sie lässt Schlüsse zu auf Gott, den Unbekannten über Allem. Wenn das Universum unendlich rätselhaft ist und der Mensch nicht einmal das Spiel der Teilchen und Ladungen durchschaut, aus denen seine unermesslichen Strukturen bestehen, wie sollte er dann seinen Ursprung und tiefsten Grund ermessen?

So wie wir das Universum heute besser verstehen, so können wir besser die Eigenschafte Dessen bedenken, der die Welten erschuf und uns mitten darin. Dieser Gott ist unvorstellbar und ansprechbar zugleich, die höchste Macht, auf die sich der Mensch verlassen kann. Wenn Menschen von Gott als Person sprechen, will das nicht sagen, dass Er ein Wesen ist nach unserem Erscheinungsbild. Auch Bahá'u'lláh spricht von nur einem, einzigen Gott, ohne Gefährten. Das persönliche Fürwort „Er“ darf nicht im unterscheidenden Sinn verstanden werden. Mann und Frau sind völlig gleichwertige Geschöpfe.

Gott offenbart sich als Schöpfer von lauter Einmaligkeiten, bis in die kleinsten Dinge, so wie der Künstler sich in seinem Schaffen niemals wiederholt. Die Phantasie der Schöpfung ist unübertroffen und unerschöpflich. Daraus allein schon schließt der Verstand, dass sie sich nicht selbst erschaffen haben kann. Für den Unglauben hat es nie so schlechte Argumente gegeben wie beim heutigen Stand des Wissens. Gott wird auf die Dauer für den einsichtigen Menschen zur Gewissheit. Er ergibt sich auch aus dem Sinn, den der Mensch persönlich erfährt.

Philosophien und Glaubenslehren von einer Welt über allen Dingen und über die Dinge hinaus finden zunehmende Bestätigung durch die Physik des 21. Jahrhunderts. Ursprünglich religiöse Begriffe wie Ewigkeit, Unendlichkeit oder Unvergänglichkeit gehören seit hundert Jahren zum naturwissenschaftlichen Repertoire. In der Quantenwelt unter den Atomen verflüchtigt die Natur sich in die Gedanken der Mathematiker. Der Primat des Geistes über die Materie kehrt auf physikalischer Ebene in die Wissenschaften zurück. Aus dem modernen Erkenntnisgang entrollt sich eine erste, welthistorische Synthese von Wissen und Glaube.

Im visionären Weltbild des Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955) vollzieht sich eine gottgewollte „Planetisation“ der Welt. Diese neue Phase der Evolution kündigt die Offenbarung von Bahá'u'lláh seit nahezu hundertfünfzig Jahren an. Danach drängt die Schöpfung auf die nächsthöhere soziale Ordnung nach dem Staat: die politische und geistige Einheit in der Noosphäre. In diesem Raum des Bewusstseins wächst der Geist der Menschheit zusammen, sagt Teilhard voraus. Der große Denker des 20. Jahrhunderts formuliert Offenbarungen Bahá'u'lláhs in der Sprache der Wissenschaft. In der Bahá’í Theologie geht das Gottverständnis weit über die vertrauten Bildangebote der alten Religionen hinaus. Gott hat sich ab 1844 mit Information offenbart, die einem neuen Jahrtausend Sinn verliehen haben bevor es begann.

Das Gottkonzept

In einem Klassiker des Bahá’i Glaubens, dem „Esslemont“, heißt es: „Die Bahá'í-Lehre stimmt mit Wissenschaft und Philosophie in der Erklärung überein, dass die Wesenheit Gottes völlig außerhalb des menschlichen Fassungsvermögens steht. So nachdrücklich, wie Thomas Huxley und Herbert Spencer lehren, dass das Wesen der »großen ersten Ursache« unerkennbar ist, lehrt Bahá'u'lláh: »Gott umfasst alles. Er kann nicht umfasst werden.« Zur Erkenntnis der göttlichen Wesenheit ist »der Weg versperrt und die Straße unbegehbar.« Denn wie kann das Endliche das Unendliche begreifen? Wie kann ein Tropfen den Ozean enthalten oder ein im Sonnenschein tanzendes Stäubchen das Weltall umfassen? Und dennoch spricht das ganze Weltall von Gott.
In jedem Wassertropfen sind Weltmeere von Bedeutung verborgen, und in jedem Sonnenstäubchen ist ein ganzes Weltall von Bedeut­samkeiten eingeschlossen.

[John E. Esslemont, Bahá'u'lláh und das neue Zeitalter, 1923]

Eine religionsverbindende Botschaft

Bahá'u'lláh entfaltet am Vorabend der Erklärung Seiner Sendung, während seines Exils in Bagdad (1862), innerhalb von zwei Tagen und zwei Nächten das „Buch der Gewissheit“. Darin legt Er im Umriss den großen Heilsplan Gottes dar. Der Offenbarungstext bricht nach autorisierter Darlegung das „Siegel“ des „Buches“ von Daniel über die „Zeit des Endes“. Es enthält unter anderem den Lehrspruch von der unvergleichlichen „Existenz und der Einheit eines persönlichen Gottes, der unerkennbar, unerreichbar, Quell aller Offenbarung, ewig, allwissend, allgegenwärtig und allmächtig ist“. Alle religiöse Wahrheit sei zeitbedingt und daher relativ und werde von Gott fortdauernd in einer universellen Botschaft durch die Einheit der Propheten offenbart. Bahá'u'lláh brandmarkt in dieser Schrift „die Blindheit und den Eigensinn der Geistlichen und Gelehrten aller Zeiten“ und die theologischen Schulen, die die religiösen Systeme der Welt jahrhundertelange entzweit und voneinander abgesondert haben. Unter allen Schriften des Urhebers der Bahá'í-Offenbarung schaffe dieses Buch allein schon „eine breite, unangreifbare Grundlage für die völlige und dauerhafte Versöhnung der Anhänger der großen Weltreligionen“.

[Shoghi Effendi, Gott Geht Vorüber, 8.26]

Bahá'u'lláh über Gott

Jedem verständigen und erleuchteten Herzen ist es offenbar, dass Gott, die unerforschliche Wesenheit, das göttliche Sein, unermesslich erhaben ist über jedes menschliche Kennzeichen wie körperliches Dasein, Aufstieg und Abstieg, Ausgang und Rückkehr. Fern sei es Seiner Herrlichkeit, dass des Menschen Zunge angemessen Sein Lob künden oder des Menschen Herz Sein unergründliches Mysterium erfassen könnte. Er ist und war von jeher in der altehrwürdigen Ewigkeit Seines Wesens verhüllt und wird in Seiner Wirklichkeit dem Schauen der Menschen ewiglich verborgen bleiben.

[Bahá'u'lláh, Ährenlese, 19.1]

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